Komposition: eine unerschöpfliche Vielfalt möglicher Synthesen
Oft versuche ich in meinen Kompositionen, widerstrebende Kräfte der Neuen Musik zu einer persönlichen Tonsprache zu verbinden. Sie ist häufig von pulsierender Rhythmik erfüllt und dann doch immer wieder von ametrischen Klangflächen durchzogen; die Harmonik ist meist freitonal, kippt aber immer wieder ins Atonale; und wenn in meinen Orchesterstücken immer wieder kammermusikalische Passagen erklingen, ist die Kammermusik oft von symphonischem Duktus erfüllt.
werke für klavier
Hyperion-Fragmente
für Klavier [ 2009/2018 ]
Dauer: 19’00“
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Details
1. … ins Ungewisse… (5’00“)
2. … dort droben im Licht … (5’00“)
3. … geworfen … (9’00“)
Wie schon im Falle von Johannes Brahms’ Schicksalslied bildet das im Zentrum von Hölderlins Roman stehende Gedicht den Bezugspunkt der Komposition, freilich in einem allgemeineren Sinn. Die Wortbruchstücke aus diesem Text sind hier zunächst als Stimmungsgeber zu verstehen, welche das Spannungsfeld zwischen zwei Extremen markieren: zunächst einer „irdischen“ Verlorenheit, auf einer Suche nach Gewissheiten, aus einer Position der Düsternis heraus. Und demgegenüber die „himmlische“ Sphäre des Lichts, eines Lebens in einer Blase unendlicher Harmonie, welche nur die eigene Befindlichkeit kennt und zulässt. Zwischen dieser Gedankenutopie und unserer unzulänglichen Wirklichkeit fühlen wir uns hin- und hergeworfen, in einer bruchstückhaften Welt voller Widersprüche.
Die Musik lebt von Kontrasten, vor allem im dritten Stück, der „Synthese“ der beiden vorangehenden. Ob man die Metaphorik auf musikalische Ausdrucksformen projiziert – das zweite Stück etwa ist in einer persönlichen Spielart von „hermetischer“ Dodekaphonik gehalten – oder ob man allgemein-gesellschaftliche Befindlichkeiten mit ihr assoziiert – eine Zeit technischer Umbrüche wie die unsere ist stets auch eine Periode pessimistischer Sinnsuche – mag offen bleiben, wie es auch die Wortsplitter in den Titeln nahelegen.
Martin Lichtfuss
Friedrich Hölderlin – Hyperions Schicksalslied
Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.
Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.
straightforward II
für Klavier [ 1999 ]
Dauer ca. 5’20“
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Martin Lichtfuss – Klavier
Noch nie war das Spektrum unterschiedlicher Musikrichtungen und –
Bei straightforward II geht es in Zusammenhang mit der Einbindung vertrauter musikalischer Elemente um einen spannenden Balanceakt: permanent der Gefahr einer latenten Abge¬schmacktheit entgegensteuernd, ist ein Gleichgewicht zwischen Harmonik und Rhythmik angestrebt. Dort, wo etwa Dreiklänge „Populäres“ zu Gehör bringen, wurde die Regelmäßigkeit des Metrums bewusst gebrochen; so wird zu traditionellen Elementen Distanz erzeugt und die notwendige Neutralisierung erzielt, sodass der Eindruck entsteht, Bekanntes ergebe sich unbeabsichtigt, zufällig, nebenbei.
Mit „direkt“, „unmittelbar“ oder einfach „drauflos“ könnte man den Titel straightforward übersetzen, als Umschreibungen eines Begriffes, der sich adäquat aus dem Englischen ins Deutsche eigentlich nicht übertragen lässt.
Martin Lichtfuss
11 Minuten
für Klavier [ 1983 ]
Dauer ca. 11’00“
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Margit Stadler – Klavier